Kochenille

[536] Kochenille (Coccionella), die getrockneten Weibchen der in Mexiko einheimischen, daselbst und in Guatemala, Honduras, auf den Kanaren (Teneriffa) im großen gezüchteten Kochenille- oder Nopalschildlaus (Coccus Cacti L), die auf verschiedenen Kaktusgewächsen (Nopalea coccinellifera [Mill.] Dyck, Opuntia Tuna Mill., O. elatior Mill.) lebt.

Die ungeflügelten Weibchen sind blaurot, 2 mm lang, schwellen nach der Befruchtung bedeutend an; bevor sie die Brut absetzen, findet die erste Ernte statt, indem man die Tierchen von den Pflanzen abkehrt, in Körben sammelt, durch Eintauchen in heißes Wasser oder in besonderen Oefen tötet. Diese erste Ernte liefert die beste Ware, Zacatilla genannt. Zweite und dritte Ernten enthalten auch unbefruchtete (junge) Weibchen, leere Bälge und liefern die Granilla- Sorte. Nach der verschiedenen Art des Trocknens ergeben sich verschiedene Produkte; Jaspeada, die silbergraue Kochenille, ist im Ofen getrocknet, Ponegrida sind braunrote, an der Luft und Sonne getrocknete, Nigra oder Negrilla auf Metallplatten schwärzlich geröstete Tiere. Der silbergraue Ueberzug der Jaspeada rührt von Wachs her. Nach Aitken sollen aber die silbergrauen die befruchteten, trächtigen Weibchen, die schwarzen die schon der Brut entledigten, die Granilla die unbefruchteten Weibchen sein. Die hervorragendste Sorte ist Zacatilla von Honduras (schwarz), dann folgen im Range Veracruz-Zacatilla, graue Honduras, graue Mexikaner; Teneriffa liefert gute graue und schwarze Sorten. – Kochenille stellt eiförmige, bis 5 mm lange, oberhalb konvexe, unterhalb konkave oder flache, von parallelen Querstreifen gefurchte schwarzrote oder weißbestäubte graue Körner vor, die in Wasser aufschwellen und dasselbe hochrot färben, auf Chloroform schwimmen, beim trockenen Zerreiben ein dunkelrotes Pulver geben und als wesentlichsten Bestandteil das Kokkusrot oder die Karminsäure (10% nach Liebermann) enthalten. Wegen dieses ausgezeichneten roten Farbstoffes wird die Kochenille trotz der Konkurrenz der synthetisch dargestellten Rotfärben in großen Mengen in den Handel gebracht; die Einfuhr in Deutschland bewertet sich über 1l/2 Millionen Mark. Die Kochenille enthält ferner noch 1–4% Wachs (Kokkerin), 6–18% Fett, 4–8% Wasser und 3–6% Aschenbestandteile. Fälschungen sind nicht selten und beruhen auf der Gewichtsvermehrung mit Bleiweiß, Zinkoxyd, Schwerspat, Graphit, auf künstlichen Nachahmungen, die aus Ton, Traganth, mit Fernambukrot gefärbt, hergestellt werden; ferner auf der Entziehung des Farbstoffes der echten Kochenille. Durch Behandlung mit warmem Wasser sind die Fälschungen in der Regel leicht nachzuweisen. Ihres Farbstoffes beraubte Kochenille kommt ebenfalls vor und wird durch die Bestimmung der Färbekraft (Methode von Penny: Oxydation des Farbstoffes in alkalischer Lösung mit Ferrocyankalium) nachgewiesen.

Kochenille wird sowohl für sich als Farbmittel (für Zahnpulver, Mundwasser, Speisen, Liköre u.s.w.), besonders zur Darstellung des Karmins (s.d.) benutzt. Gewöhnlicher oder technischer Karmin ist ein Gemenge von Karminsäure, Karminrot und Alaunerde und wird durch Extraktion der Kochenille mit siedendem Wasser und Fällen mittels Alaun gewonnen. Geringere Sorten sind eigentlich schon Farblacke wie der Kugellack, Karminlack (s.d.), Florentinerlack z. T. Reiner Karmin oder das Karminrot wird durch Kochen der Karminsäure mit Schwefelsäure erhalten:


Kochenille

Nach neuesten Untersuchungen ist Karminrot ein Derivat der Phthalsäure. Karminrot ist eine dunkelpurpurrote, grün reflektierende Masse, die in Wasser und Alkohol und in verdünnten Alkalien mit der prachtvollsten blut- bis purpurroten Farbe löslich ist. Karmin dient zum Scharlach- und Ponceaurotfärben der Wolle und Seide, zu roter Tinte (ammoniakalische Lösung), als Malerfarbe, zur Rotschminke. Reines Karminrot wird mit roten Lackfarben verfälscht; es löst sich in Salzsäure gelblich und klar, die Lackfarben erscheinen nur in trüben Lösungen. – Blauer Karmin s. Indigokarmin. Gelber Karmin ist ein Farblack, aus Gelbholz, Gelbbeeren oder Quercitron hergestellt. Karminsurrogat ist eine Mischung von Fuchsin mit Dinitrokresolkalium (Safransurrogat).

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 536.
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